Pisa–Studie missbraucht?
Auf die Frage, was denn eine gute Schule ist, gibt es wahrscheinlich so viele Antworten wie Schulkinder: Keine Mathe–Stunden, dafür Karaoke–Singen, weniger Geschichte, dafür mehr Volleyball, keine Schularbeiten etc. Es gibt aber auch andere Wünsche. Dass jeder nur das lernen muss, was er nicht eh schon weiß so stellte sich der 10–jährige Maximilian eine ideale Schule vor.
In der Gesamtschule, die in Modellregionen Österreichs ab 2008 Realität sein soll, werden all diese Kinder – mit ihren unterschiedlichen Motivationen und Erwartungen – in eine Schulform gedrängt. Kann das gut gehen? Diese Frage ging an jene, die Erfahrungen mit der gegenteiligen Schulform haben: Mit der Sir–Karl–Popper Schule, einer Hochbegabten–Schule mit individueller Förderung.
Ich halte von der Gesamtschule gar nichts, sagt Günter Schmid, Direktor der Schule. Ein Prinzip, das heute weltweit unbestritten ist, ist die Individualisierung. Jeder soll möglichst so betreut werden, wie er es braucht. Die Gesamtschule bedeutet Pauschalierung. Hier wird die Pisa–Studie grässlich missbraucht, um einem ideologischen Grundsatz ein pädagogisches Prinzip zu opfern.
Die Pisa–Ergebnisse in Deutschland sprächen klar gegen die Gesamtschule. Die besten Leistungen wurden in Bayern erzielt dort ist das Schulwesen sehr differenziert. Man werde mit der Gesamtschule schon etwas erreichen können aber mit viel mehr Aufwand als in einem differenzierten Schulsystem.
Flexible Lernprogramme
Anders sieht das Renate Wustinger, die an der Popper–Schule das Fach Kommunikation und Sozialkompetenz lehrt. Ich unterrichte seit 1974 und habe solche Diskussionen schon damals geführt. Ich glaube, dass eine gemeinsame Schule der Mittelstufe gut wäre, allerdings braucht es flankierende Maßnahmen.
Flexible Lernprogramme sollten geschneidert werden. In einer dritten Klasse müssen nicht in jedem Fach alle das gleiche lernen. Der Großteil wird den Stoff der dritten Klasse machen, manche könnten schon den der vierten Klasse durchnehmen und andere den der zweiten Klasse wiederholen. Dass in der Gesamtschule nach unten nivelliert wird, glaubt sie nicht. Das ist doch nur ein Schlagwort, man kann genauso nach oben nivellieren. Die Letztüberzeugung für die Gesamtschule hat ihr ihre Tätigkeit in der Popper–Schule gegeben. Bei uns sind viele Hochbegabte, die aus der Hauptschule kommen, vor allem aus den Bundesländern.
So einer ist Ex–Schüler Andreas Pichler, 19, Student (vergleichende Literaturwissenschaften). Ich war in der Hauptschule in Salzburg und habe das positiv erlebt. Allerdings war ich in den letzten zwei Jahren unterfordert. Verspottet oder beneidet wurde ich aber nie. In die Popper–Schule wollte ich, weil mich das Extravagante angezogen hat. Ein Urteil über die Gesamtschule will er nicht fällen. Dazu müsste ich beide Schulformen erlebt haben. Interessant sind die Motive für die Einführung. Vielleicht will man den Eltern die Entscheidungsmacht nehmen, ob sie ihr Kind in die Hauptschule oder ins Gymnasium schicken. Die Kinder entscheiden mit zehn Jahren ohnehin nicht selbst. Vom Prinzip her verfolge die Gesamtschule den Ansatz, wonach ein Kind vom anderen lernen soll. Ob das funktioniert? Ein trotziges, destruktives Kind hat extrem viel Macht, meint Pichler.
Kein Platz für Elite?
Vielleicht wolle man aber auch aus ideologischen Gründen den Vorsprung, den Akademiker–Kinder haben, kompensieren. Man fürchtet, dass die guten Schulen sonst gewissen Klassen vorbehalten bleiben. Und es gibt die Angst, dass die Elite kein Gespür dafür hat, wie es den Armen geht.
Markus Breu, 19, Medizin–Student und ebenfalls Absolvent der Popper–Schule, hält nichts von der Gesamtschule. Wenn man zwei Mathematiker und zwei Sprachbegabte gemeinsam unterrichtet, dann sacken beide Gruppen in beiden Bereichen ab. Aber das will man vielleicht eh, dass alle am selben niedrigen Niveau sind. In der österreichischen Mentalität ist für Eliten kein Platz. Die sozialistische Ideologie will, dass alle gleich sind. Eine Selektion findet trotzdem statt, nur eben später, beim Studium, im Beruf.