Mehr Platz für begabte Individualisten
Mehr Platz für begabte Individualisten
Soll man sich hochbegabte Kinder wirklich wie Malcolm aus der amerikanischen Serie "Malcolm in the middle" (dt. "Malcolm Mittendrin") vorstellen? Der Mensch ist prädestiniert dafür, für jede Kleinigkeit ein Vorurteil zu finden. Tragen also Hochbegabte wirklich Flanellhemden und Brillen? Natürlich nicht.
"Sie denken komplexer und stellen mehr anspruchsvolle Fragen, als sie eigentlich Antworten haben wollen", weiß Ulrike Kempter. Die AHS–Lehrerin ist in der Lehrerfortbildung der pädagogischen Hochschule in Linz tätig. Weiters seien sie "viel kreativer in ihrem Denken", und sie seien lieber "mit älteren Kindern befreundet, da diese schon reifer sind als die jüngeren", erklärt Kempter weiter.
Das Glück, zu lernen
In diesen Punkten gleichen sich die Erfahrungen von Kempter und Elisabeth Prügger, selbst Lehrerin an der Hochbegabten–Schule Sir Karl Popper: "Die Grundhaltung zum Lernen ist eine andere. Sie haben das Glück, lernen zu können und zu wollen. Sie saugen das Wissen ein."
Eingegliedert in das Wiedner Gymnasium in Wien, läuft der Schulversuch einer Hochbegabten–Schule unter dem Namen Sir Karl Popper. Dieser wird nur für die Oberstufenklassen angeboten. Ähnlich wie im amerikanischen Schulsystem werden auch hier fixe Grundkurse und von den Schülern frei wählbare Schwerpunktkurse angeboten. "Der Stundenplan ist wesentlich schlechter, da durch die vielen verschiedenen Kurse mehr Freistunden entstehen", kritisiert die 17–jährige Schülerin Anna Schmidt. Jedoch bleiben diese Stunden nicht ungenützt, da "ich das meiste für die Schule in den Freistunden mache".
Für den Lateinlehrer Franz–Joseph Grobauer, der seit dem Gründungsjahr 1998 in der Schule lehrt, gibt es nichts Schöneres, als "einem jungen Menschen zu helfen, sich zu entwickeln". Es sei aber auch fordernd, da man mit vielen Individualisten zu tun habe.
Oft überrascht sei Grobauer auch, "wenn Fragen kommen, die man so nie erwartet hätte". Dies unterscheidet in seinen Augen einen "Popper", wie die Schüler genannt werden, von gleichaltrigen Gymnasiasten. "Eigentlich bin ich nichts Besonderes", erwidert hingegen Schmidt. Sie habe zwar gute Noten, "aber das gibt es überall anders auch".
Vorarbeit fürs Studium
Neben der regulären Schulzeit gibt es für interessierte und auch hochbegabte Jugendliche die Möglichkeit, ein Studium etwa an der TU Graz zu absolvieren. "Im Zuge dieses Programmes können Schüler schon während ihrer Schulzeit Lehrveranstaltungen besuchen und Prüfungen ablegen", erklärt Claudia Weixlbaumer vom Österreichischen Zentrum für Begabtenförderung. Diese Prüfungen werden später den Absolvierenden für ihr ordentliches Studium angerechnet. Der Studienbeitrag wird ihnen erlassen.
Leider sei diese Chance nicht sehr bekannt, doch "wir hoffen, dass noch mehr Universitäten mitmachen". Derzeit seien laut Weixlbaumer 13 Universitäten und eine Fachhochschule in diesem Programm vertreten.
Die Definitionen von Hochbegabung sind für Experten, Lehrer und Schüler meist gleich: Jedes Kind ist begabt und charakterisiert sich durch seine Individualität und die ausgeprägten Interessen. Prügger betont, dass Lehrer auf Fortbildungen immer darauf hingewiesen werden, dass "Hochbegabung das falsche Wort" sei. Die Sir–Karl–Popper–Schule solle sich nicht nur durch Hochbegabte charakterisieren, da jedes Kind begabt sei. "Talente sind mitgegeben worden oder stark ausgeprägt."
Auch Grobauer weiß, dass "die Damen und Herren ihre Frau bzw. ihren Mann im Leben stehen werden". Egal welche Ausbildung und Begabung.