Elitäre Jugend mit alltäglichen Problem
Als „Elite“ könnte man seine Schüler schon bezeichnen, sagt Edwin Scheiber, Direktor der Sir-Karl-Popper-Schule, die 1998 an der Oberstufe des Wiedner Gymnasiums im vierten Wiener Gemeindebezirk eingerichtet worden ist. Immerhin, ergänzt Renate Wustinger, die seit dem zweiten Betriebsjahr an der Weiterentwicklung die Konzepte mitarbeitet, seien es nur die besten vier bis fünf Prozent eines Jahrgangs, die als hochbegabt gelten und aus denen die Schülerauswahl getroffen wird.
Wobei sie Wert darauf legt, dass es sich um eine intellektuelle Elite handelt und nicht um eine Herkunftselite: „Sie finden bei uns auch Kinder aus Arbeiterfamilien“, betont Wustinger. Dennoch meint Scheiber: Eine „Elitenschule“ bertreibt er nicht, und schon gar keine „Hochleisterschule“.
Wer das Gebäude am Wiedner Gürtel 68 betritt, wähnt sich an einer normalen Wiener Schule. Es ist kurz vor elf, die Halbwüchsigen stürmen durch die Gänge oder stehen laut diskutierend in Gruppen zusammen. Man darf nicht erwarten, die Türe aufgehalten zu bekommen, und das hat nichts mit schlechter Erziehung zu tun: Die Gedanken der meisten Jungendlichen gehören der kommenden Schulstunde.
Es stimmt, was Scheiber im nachfolgende Gespräch sagt: Man sieht den Schülerinnen und Schülern der Oberstufe nicht an, ob sie das klassische Gymnasium oder die Hochbegabten-Schiene besuchen. „Im Gespräch aber“, erklärt der Direktor, „merken sie es schnell.“ Letztere würden sich deutlich gewählter ausdrücken.
Dennoch handle es sich um ganz normale Jugendliche, mit ganz normalen jugendlichen Ansprüchen: Sie hören laute Musik, kämpfen mit Liebeskummer und verweigern auch einmal die Mitarbeit oder vergessen die Hausübungen. Darüber hinaus, sagt Wustinger, hätten viele ihrer Hochbegabten zuerst wenig Interesse, an die Popper-Schule zu kommen.
Vorurteile und Scham
Auf der einen Seite stehen jene, die gegen die Eliten rebellieren und im Aufnahmeverfahren absichtlich versagen. Diese wird unter externer Aufsicht durchgeführt und umfasst Tests, mit denen auch bildungs- und sprachunabhängige Kompetenzen festgestellt werden. Etwa die räumliche Vorstellungskraft, führt Wustinger aus. In diesem Sinn, aber auch hinsichtlich der Tatsache, dass jemand einfach einen schlechten Tag haben könne, sei das Ergebnis „nicht hochbegabt“ natürlich nicht letztgültig.
Andererseits herrsche nicht selten die Meinung vor, bei den Popper-Schülern handle es sich um „Streber, Brillenträger oder Spastis“, zitiert die promovierte Musikwissenschaftlerin mit Unbehagen einige Vorurteile. Mancher Popperianer teile seinem Umfeld in der ersten Zeit gar nicht mit, welche Schule er besucht.
Um dem „Elitenvorwurf“ etwas entgegenzusetzen, vor allem aber weil es pädagogisch sinnvoll sei, wird künftig der Kontakt zwischen den Schulformen stärker gefördert: Die zwei Hochbegabten-Klassen pro Oberstufenjahrgang sollen in einzelnen Fächern gemeinsam mit den normal Begabten des Wiedner Gymnasiums unterrichtet werden. Zur gegenseitigen intellektuellen Befruchtung.