Gelinde gesagt genial
In Österreich gibt es 25.000 hochbegabte Schüler. Sie sollen künftig massiv gefördert werden. Ein neues Buch beschreibt wie. Walter Friedl Vizekanzler Erhard Busek zieht den Bogen von der Heiligen Schrift bis zum neuen Koalitionsübereinkommen: In beiden Dokumenten sei festgeschrieben, daß man "mit Talenten wuchern und sie nicht vergraben" soll, so Busek. Dementsprechend sei ein bildungspolitische Schwerpunkt der kommenden Jahre die (Hoch–)Begabtenförderung. Geschätzte 25.000 Schüler gelten als kleine Genies. Und jährlich werden es um rund 2200 mehr – das sind 2,5 Prozent eines Geburtenjahrganges (90.000). Was sind nun die Kriterien, um das Prädikat "hochbegabt" zu erhalten? "Sicherlich nicht alleine die intellektuellen Fähigkeiten (wobei ein IQ von mindestens 130 schon erforderlich ist; Anm.)", betont Karl Klement, mit dem Erziehungswissenschaftler Friedrich Oswald Herausgeber des Buches "Begabungen entdecken – Begabte fördern", Verlag Jugend und Volk, 222 Seiten, 298 Schilling. Vielmehr müßten kognitive, kreative, soziale und musische Talente gebündelt vorhanden sein. Eine hochkarätige Mischung, mit der das heimische Schulsystem kaum zurecht kommt. Zumal in Österreich Begabtenförderung – noch – ein Fremdwort ist. Viele kleine Genies gelten als Störenfriede, werden zurückgedrängt. Nicht selten enden sie als "Schulversager". Deswegen muß die Devise für alle Pädagogen heißen: Talente früh entdecken (siehe Kasten) und zur Entfaltung bringen. Im Kindergarten: möglichst viel Freiraum, keine monotonen Vorschulübungen, Einzelförderung – allerdings in spielerischer Form. Kein Drill. In der Schule: Bereits jetzt gibt es für Hochbegabte die Möglichkeit, Klassen zu überspringen, wovon Oswald aber wenig hält. Besser: Sonder–Förderkurse etwa in Form von Freigegenständen, spezielle Curricula im regulären Unterricht, zeitweilig getrennter Unterricht für Begabte, eigene Begabten–Klassen bis hin zu Spezial–Schulen – etwa die in Wien geplante Sir–Karl–Popper–Schule.