Ein gutes Zeugnis allein macht noch kein Genie aus
Erste Aufnahmsprüfung in die "Sir–Karl–Popper–Schule" für begabte Schüler: Ein Wien–Referat Werner Windhager Das Gymnasium am Wiedner Gürtel 68: Erbaut unter Kaiser Franz Joseph, "ausgezeichnet durch den allerhöchsten Besuch seiner Majestät. "Diese Ehre verpflichtet: Seit heute beherbergt das Gymnasium die "Sir–Karl–Popper–Schule", die erste Schule für hochbegabte Kinder. Montag vormittag: Im ersten Stock bereiten sich nervöse Schüler auf die Nachprüfungen vor. Im Erdgeschoß herrscht ebenfalls Aufregung. Hier geht es allerdings nicht ums Sitzenbleiben, sondern ums Reinkommen. Rund 25 Schüler treten zum Aufnahmeverfahren in die "Karl–Popper–Schule" an. "Das sollen wir alles durchlesen? Da brauchen wir ja eine Stunde dafür!" David, Jasmin und Petra, alle 14, sind leicht entsetzt: Sie sollen eine kurze Präsentation ihrer Heimatstadt Wien vorbereiten. Zur Verfügung stehen ihnen Filzstifte, Papier, Flip–Charts ("Was ist das?") und jede Menge Lexika. Nach einer Schrecksekunde werden die Aufgaben verteilt: "Du machst Schönbrunn, du den Prater, ich schau‘, woher der Name kommt." David übernimmt die Leitung. Warum er sich hier angemeldet hat? Bekannte der Familie haben seiner Mutter den Tip gegeben. In seiner alten Schule hat er eine Art Stillhalteabkommen mit den Lehrern geschlossen: "Ein Vierer, dafür brauch‘ ich nichts tun: Keine Aufgaben, keine Mitschriften. Vor Prüfungen hab‘ ich halt gerade das Nötigste gelernt." Hier, meint er, hat er mehr Möglichkeiten, seine Interessen zu verfolgen. Außerdem: "Ich wäre heuer der einzige Bub in der Klasse gewesen." Da war die Entscheidung leicht, sich hier zu bewerben. Petra hatte andere Beweggründe: "Am Ende des letzten Schuljahres hat mich einer meiner Lehrer gefragt: Wer bist denn Du?" So etwas wollte sie nicht mehr erleben. "Hier", stellt sie sich vor, "wird es sicher nicht so ablaufen." Eine Sorge haben aber beide gehabt: "Daß das nur eine Schule für Blitzgenies ist." Zeugnisse sind dabei nicht so ausschlaggebend. Talent auf einem Gebiet reicht. Wichtig ist, daß die Schüler zusammenarbeiten. "Wir wollen Schüler ins Leben entlassen, die sich spontan Problemen stellen und diese auch lösen können", umreißt der Direktor, Günter Schmid, die Ziele der Schule. Erster Zieleinlauf: Die Aufnahmeliste am Abend. Petra hat Pech. Weinend stürmt sie aus dem Foyer. David hingegen strahlt über das ganze Gesicht: "Ich muß gleich meinen Vater anrufen", ruft er und geht ab.