Gute Noten kein Beweis für hohe Begabung
Sir–Karl–Popper–Schule fördert Kommunikation
Wien – Spielen gehört dazu. Nicht irgendein Spiel, sondern jenes vom Dienstwagen. Über den können sich gestandene Manager ganz schön in die Haare geraten. Das in Managementseminaren eingesetzte Planspiel (in dem sich die Beteiligten darüber einigen müssen, wem der eine neue Dienstwagen des fiktiven Unternehmens zur Verfügung gestellt wird) wird hier von Schülern der fünften Klasse gespielt.
Nicht zum Zeitvertreib, natürlich. In der Sir–Karl–Popper–Schule gehören solche Spiele zum stundenplanmäßig vorgegebenen Unterricht. Denn die "im wahrscheinlich hässlichsten Schulgebäude Wiens" (Direktor Günther Schmid) untergebrachte Hochbegabtenschule versucht vor allem die "Humankompetenz" ihrer Schüler zu heben.
Grundgedanke: Wer eine besondere Begabung hat, soll auch befähigt werden, sie optimal zu kommunizieren. Denn das ist eine der Erfahrungen, die besonders begabte Schüler im Regelschulwesen machen: Dass sie ein besonderes Talent haben, geht oft unter.
Belohnt wird Fleiß, nicht Begabung
Talent und Begabung – das sind Begriffe, mit denen ein Lehrer, mit denen das Schulsystem an sich nicht gut zu rechtkommt. "Das Schulnotensystem belohnt Anstrengung, nicht Begabung", sagt Schmid.
Dennoch gelten die Noten für Eltern, Lehrer und Schüler als Ausweis der Leistungsfähigkeit. Weil es üblicherweise keine andere Messgröße gibt.
Schmid: "Wir schauen uns – aus Neugier – schon auch die Schulnoten der Bewerber an. Aber die, die sich eignen, sind nicht immer die ,besten Schüler‘. Aus dem Theresianum hatten wir acht Bewerber, von denen vier ge_eignet waren; alle vier hatten Noten vom Dreier abwärts. Da war es nicht leicht, den Eltern der anderen zu erklären, dass ein Kind mit ,guten Noten‘ nicht unbedingt die von uns definierte Begabung haben muss."
In der Definition des Bildungsziels der Popper–Schule heißt es: "Absolventinnen und Absolventen der Sir–Karl–Popper–Schule sind bereit für lebenslanges Lernen...
Aktive Gestaltung der Lernprozesse
Sie gestalten diese Lernprozesse, sie steuern aktiv, was sie in welcher Weise lernen wollen, und sie wissen auch, wozu das Gelernte nützt." Das wäre zwar Idealbild für das gesamte Schulwesen (und Schmid hofft auf eine Ausstrahlung in das Regelschulwesen), in der Praxis ist es aber schon schwer genug, es für die wenigen Erwählten – maximal 24 pro Jahrgang – zu vermitteln.
Helene Humer vom Zentrum für Begabtenförderung in Salzburg hat in der neuesten Ausgabe der Pädagogischen Reihe, einer Zeitschrift der Vereinigung Christlicher Lehrer an Höheren Schulen, Indikatoren aufgelistet, die auf eine besondere Begabung von Schülern hinweisen. Dazu gehört:
- "Bevorzugt abstrakte und komplexe Inhalte."
- "Zeigt kreatives Problemlösen, führt Ideen zusammen."
- "Besitzt hohes Lerntempo durch effektive Informationsverarbeitung und Gedächtnisleistung."
- "Zeigt gute Konzentration."
- "Äußert viel Kritik."
- "Verbirgt Langeweile nicht."
Nach diesen Merkmalen werden jährlich die Kandidaten für die Popper–Schule getestet – und dann mit einem intensiven Lernprogramm (aber auch einer intensiven Betreuung durch die als Coach fungierenden Lehrer) gefordert. Fremdsprachlicher Unterricht gehört ebenso dazu wie das rasche Erlernen von Spanisch oder Russisch und freie Lernprojekte. Wer ein Kabarettseminar besucht hat, der weiß, dass Spaßmachen harte Knochenarbeit ist.
Das in Wien praktizierte Modell ist aber nur eines von mehreren Konzepten. Salzburgs Landesschulratspräsident Gerhard Schäffer hat in seinem Bereich etwa Expressklassen (AHS–Oberstufe in drei Jahren), einen Japanischunterricht und ein außerordentliches Universitätsstudium für Schüler eingeführt. (DerStandard,Print–Ausgabe,17.1.2002)